Nicht nur am 1. Mai: Hamburg bleibt Nazifrei!

Am Samstag den 16.5. wollen sich erneut selbsternannte Kritiker*innen der Coronamaßnahmen, sowie Coronaleugner*innen auf dem Hamburger Rathausmarkt treffen, um mit unterschiedlichen Aktionen gegen die infektionsschutzbedingten Einschränkungen des alltäglichen Lebens zu demonstrieren und ihren Mutmaßungen, wer die Corona-Pandemie inszeniert haben könnte, Raum zu verschaffen. Wie die letzte Woche in Hamburg sowie in diversen anderen Städten gezeigt hat, sind diese Veranstaltungen zunehmend anschlussfähig für Verschwörungsideolog*innen, Impfgegner*innen, Holocausleugner*innen, organisierte Neonazis, Anhänger*innen von AfD und sogenannter neuer Rechter sowie Querfrontler*innen. So kamen am vergangenen Samstag in Hamburg bis zu 800 Teilnehmer*innen zusammen. Darunter bereits bekannte Gesichter von den Hamburger „Merkel-Muss-Weg“-Kundgebungen aus dem Jahr 2018, bekannte Neonazis aus Hamburg und dem Hamburger Umland, wie Mario Zitzlaff und Torben Klebe, sowie Holocaustleugner*innen wie Wolfram Schiedewitz. Das gemeinsame Singen der Nationalhymne sowie „Wir sind das Volk“ rufe, bildete einen Schulterschluss zwischen den Teilnehmer*innen und machte deutlich, wie die Rechten die Corona-Pandemie sowie die Unsicherheit vieler Menschen für ihre Zwecke und ihre Anschlussfähigkeit instrumentalisieren.

Die Teilnehmer*innen organisieren sich und ihre Kundgebungen in mehreren Telegramgruppen, die stetig wachsen und deren Inhalte bereits deutlich machen, dass rechte Positionen, verschwörungsideologische Erklärungsmuster sowie antisemitische Erzählungen keinesfalls Einzelfälle sind. So werden vollkommen unkritisch Verweise auf rechte bis extrem rechte Quellen und Akteur*innen, wie Ken Jebsen, Tichys Einblick, das Compact Magazin sowie Martin Sellner geteilt und gepusht, um Beiträge zum Thema Impfzwang, Bill Gates und der Schuld der sogenannten Eliten im Allgemeinen, zu belegen. Teilweise sprechen Teilnehmer*innen angesichts der Corona-Maßnahmen von einer Diktatur und vergleichen sich schamlos mit vom Naziregime verfolgten Jüd*innen. Dass es am Rande dieser Kundgebungen, wie in der letzten Woche geschehen, zu einer Atmosphäre kommt, die stark an PEGIDA erinnert, wundert angesichts der kruden Mischung von Teilnehmer*innen, innerhalb derer keinerlei Distanzierung zu rechten, antisemitischen und neonazistischen Positionen zu beobachten war, kaum. So kam es neben bereits erwähnten „Wir sind das Volk“-rufen zu „Lügenpresse“ rufen sowie zu Angriffen auf Pressevertreter*innen und aggressiven Anfeindungen gegenüber antifaschistischen Beobachter*innen. Die Polizei hielt sich trotz Nichteinhalten der Infektionsschutzmaßnahmen der Teilnehmer*innen zurück und beschränkte sich mit ihren Maßnahmen auf die anwesenden Antifaschist*innen.

Nachdem die Neonazis der Splitterpartei „die Rechte“ vor zwei Wochen keine Erfolge in Hamburg oder anderswo verzeichnen konnten, hieß es in unserer abschließenden Mitteilung, dass wir uns beim Kampf gegen Neonazis nicht auf den Staat und die Gerichte verlassen können. Dies wird jetzt mehr als deutlich. Am 15.5. soll ein neues Impfschutzgesetz beschlossen werden. Nur einen Tag später wird die nächste Kundgebung in Hamburg stattfinden. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere angesichts des neuen Impfschutzgesetzes die Zahl der Teilnehmer*innen erneut steigen wird. Erneut ist mit organisierten Neonazis aus Hamburg und dem Hamburger Umland, mit Antisemit*innen und mit einer aufgeladenen Stimmung zu rechnen.

Dass Verschwörungsideologien, Antisemitismus und Rassismus tödlich sind, wissen wir nicht erst seit den rechten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Daher ist nachhaltiger antifaschistischer Protest mehr als notwendig, um auf die Gefahr, die von den Kundgebungen ausgeht, aufmerksam zu machen. Wir rufen dazu auf, die Kundgebungen kritisch und bestimmt zu begleiten. Dabei gilt es vorsichtig und differenziert zu sein: Vermehrt wurden in den letzten Wochen Kinder mit zu den Kundgebungen genommen. Diese sind für das Verhalten ihrer Eltern nicht verantwortlich. Auch gilt es dafür zu sorgen, dass jene Teilnehmer*innen, die (noch) keinen rechten und antisemitischen Verschwörungsideologien anhängen, darauf aufmerksam werden, mit wem sie gemeinsame Sache machen und dass rechte Positionen keinesfalls die Lösung ihrer vermeintlichen und tatsächlichen Probleme zu formulieren vermögen.

Als Antifaschist*innen und Linke haben auch wir eine berechtigte Kritik an den restriktiven Maßnahmen, die im Rahmen der Coronapandemie von staatlicher Seite beschlossen wurden. Gerade jetzt wird deutlich, dass sich die Sparmaßnahmen der letzten Jahrzehnte am stärksten auf diejeniegen auswirken, die auch unter Corona am meisten zu leiden haben: Betroffene häuslicher und familiärer Gewalt, wohnungslose Menschen, Geflüchtete und weitere sozial benachteiligte Gruppen. Die Antwort auf die Sorgen der Menschen kann jedoch nicht zu gunsten rechter, rassistischer, antisemitischer und autoritärer Bewegungen und Ideologien ausfallen. Unsere Antwort lautet Solidarität: So werden seit Beginn der Pandemie deutschlandweit selbstorganisierte solidarische Netzwerke aufgebaut. Nachbarschaftshilfe wird organisiert, es werden Gabenzäune und Hotlines eingerichtet, um Betroffene sowie Angehörige von Risikogruppen zu unterstützen. Wir fordern die Aufnahme von geflüchteten Menschen aus den Lagern an den europäischen Außengrenzen. Wir fordern die Öffnung von Wohnungsleerstand für Bedürftige und den Ausbau sozialer Einrichtungen. Wir fordern die Vergesellschaftung von Krankenhäusern und weiteren Pflegeeinrichtungen sowie eine Abkehr von der Idee, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen. Wir fordern außerdem eine intensive Aufklärung von rechten Netzwerken in Polizei und Bundeswehr, die im Rahmen der Coronapandemie auf einen „Tag X“ fiebern, an dem sie hoffen, ihre autoritären Umsturzfantasien umsetzen zu können.

Kommt am Samstag zum Rathausmarkt, stört die Verschwörungsideolog*innen und ihre rechten Freund*innen, nehmt euch den Platz und den Raum! Seid früh da, es ist davon auszugehen, dass die Polizei den Platz weiträumig abriegelt. Organisiert Euch in Zweiergruppen und passt aufeinander auf, es ist davon auszugehen dass die Stimmung erneut aggressiv ist und es zu Angriffen auf Antifaschist*innen und Pressevertreter*innen kommen kann. Schützt Euch mit Mund- und Nasenschutz vor Corona und vor fotografierenden und filmenden Neonazis oder Polizist*innen. Bringt Transparente und Schilder mit, die auf die Gefahren der Kundgebung aufmerksam machen. Werdet kreativ, werdet laut und seid viele!

Bilder von der Kundgebung letzte Woche findet ihr u.a. hier: https://pixelarchiv.org/event/2020.05.09.hamburg/1

Infos wie immer auf #nonazishh & #coronawatchhh. Informiert Euch regelmäßig und haltet Euch auf dem Laufenden. Es ist mit mehreren teilweise zeigleich stattfindenden Kundgebungen in der Hamburger Innenstadt zu rechnen. Nützlich für die Vorbereitung kann unser Demo 1×1 sein.

Nicht nur am 1. Mai bleibt Hamburg Nazifrei! Für eine solidarische Gesellschaft!